Hi, ich bin Dirk Sipp. Ich wurde am fünften Oktober in Gotha geboren (Sternzeichen Waage). Die ersten weiteren Stationen waren der Kindergarten Bürgeraue Gotha und die Lutherschule Gotha. Dann wurde ich Jungpionier (blaues Halstuch) und später Thälmannpionier (siehe Foto mit rotem Halstuch). Es folgte die Polytechnische Oberschule Otto Grotewohl Gotha und die AG (Arbeitsgemeinschaft) Foto, Schulclub.
AG Discosprecher am Pionierhaus Bruno Kühn Gotha unter der Leitung von Hajo Zimmermann, nach einem Jahr Einstufung als SPU (Schallplattenunterhalter) in der Grundstufe, ich war gerade 15 Jahre jung und damit der jüngste Deejay der DDR (Deutsche Demokratische Republik) mit einem Stundenlohn von 5,- Mark plus 15,-Mark (pro Veranstaltung) für Tonträger (Schallplatten, ORWO-Kassetten, Tonbänder) plus 25,- Mark (pro Veranstaltung) für die eigene Musikanlage (Vermona Regent), die wir uns natürlich ausleihen mussten. Hinzu kam, dass auch der Fahrer bezahlt werden musste, denn ein eigenes Auto hatten wir nicht, was völlig normal war. Somit wurde die Gage durch drei geteilt.
Hajo Zimmermann aus Gotha und Dirk Sipp bei einem Zufalls-Treff in Erfurt 2007.
Wenn ich „wir“ schreibe, dann meine ich die mobile „effect-diskothek-gotha” . Mein Mitstreiter auf den Bühnen war Jürgen-Wolfgang Liebe. Er mehr der Techniker – ich mehr der Sprecher und AMIGA-Schallplattenaufleger. Man muß wissen, dass Schallplatten aus dem Westen nicht öffentlich abgespielt werden durften (ist trotzdem passiert – ätsch AWA, das war die Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte auf dem Gebiet der Musik in der DDR). Außerdem mussten 60% der Musik einer Veranstaltung aus den RGW-Staaten kommen (RGW-Rat der gegenseitigen Wirtschaftshilfe – Gegenteil zur EWG- Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – später nur noch EG).
Die anderen 40% Musik durften aus dem NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) kommen. Aber nur von Lizenz-Schallplatte aus dem Osten (AMIGA, Melodia, Pepita, Balkanton, Tonpress, usw.) oder als Mitschnitt der Sendungen DT-Metronom bzw. DT 64-Podiumsdiskothek. Pro angefangene Spielminute zahlten wir an die AWA 20 Pfennig. Da fällt mir ein, dass es in dieser Zeit tatsächlich 20-Pfennig-Stücke gab. Damit konnte man in den öffentlichen Telefonzellen telefonieren............
Nach anderthalb Jahren NVA vorzeitig entlassen. Es war die Hölle. Ich Panzerfahrer in Rostock, das wollte ich nie werden. Das haben auch die Offiziere mitbekommen. So wurde nicht nur ich total gepeinigt. Dass einem der diensthabende Offizier vor die Schienbeine tritt oder mit einem Messer bewirft – ganz normal. Oder Panzerreinigen im Feldlager, wir hatten kein Wasser und auch keinen Putzlappen, da wurde mir die Hemdtasche der Arbeits-Kombi (Arbeits-Kombination) abgerissen. So Genosse Sipp, jetzt haben sie ihren Lappen, hieß es. Übrigens, bei der NVA wurden alle als Genossen bezeichnet, obwohl nicht alle in der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) waren. Ich trat in die LDPD (Liberal Demokratische Partei Deutschlands) ein, so konnte ich „ja“ sagen, wenn man mich fragte „Sind sie auch in der Partei?“ Schließlich meinte man dann immer die SED. Ein Divisionsarzt hat mich aus der NVA herausgerettet. Danke.
Nun wieder Gummiwerk, diesmal BT 05 (Betriebsteil null fünf) in Waltershausen. Ich hatte Glück, denn ich kam in die „Schwedenhalle“. Diese Arbeitshalle war ganz neu und bunt, denn sie wurde von schwedischen Arbeitern gebaut, also mit Westtechnik. Hier stellten wir Höchstdruckschläuche her, die zum großen Teil nach Trelleborg geliefert wurden. Jedenfalls wurde der Name „Trelleborg“ aufgedruckt, so dass niemand später merkte, dass die Schläuche in Thüringen hergestellt wurden. Trotzdem sind bestimmt auch Schläuche in die DDR geliefert worden, sonst hätten wir ja nicht das Gütezeichen „Q“ (DDR-Auszeichnung für perfekte Qualität) bekommen.
Gummiwerk baut eigenes Jugendclubhaus und der FDJ-Sekretär (Freie Deutsche Jugend – Sekretär) beruft mich in die FDJ-Leitung, um das Jugendclubhaus mit aufzubauen. Vor der Parteileitung des Betriebes unterstützt er mich, indem auch er sagt, ich sei in der Partei. War ja so nicht gelogen. Dafür bekommt er noch einen Ansch... vor der SED-Parteileitung. Danke Micha. Im neueingerichteten Jugendclubhaus der FDJ-Organisation „Geschwister Scholl“ des VEB Gummiwerke Thüringen „Werner Lamberz“ wurde ich später stellvertretender Jugendclubhausleiter. Um den Namen des Hauses etwas zu kürzen, schlug ich der Parteileitung den Namen „Kultur-Fabrik“ vor, schließlich stand am Haus ein großer Schornstein. Die Antwort „Nein“! Na gut. Wir organisierten sieben Veranstaltungen in der Woche. „Treff im Club“, Kleinkunstbühne, thematische Diskotheken, Live-Sessions mit z.B. Pankow, Keimzeit, Mr. Adapoe, Reggae Play, Sandow, die Zöllner, Angelika Weiz, Jürgen Kerth, Engerling, Cäsar, MTS, Puhdys .... Und genau das nannte man Sieben-Tage-Woche. Dafür bekamen wir von der FDJ-Bezirksleitung das „Blaue T“ (Auszeichnung für soundsovielmal Jugend-T-anz die Woche). Irgendwann fiel eine Oldieband aus, und wir wollten die Veranstaltung retten. Da kam ein großer Augenblick auf mich zu.
Die "OMA – Thüringens OldieMArathon der zählt", wurde gegründet und beim Deutschen Patentamt angemeldet. Schließlich lief diese Veranstaltungsreihe so gut, dass mancher Veranstalter unsere Idee übernehmen wollte. Das ging drei Jahre gut, dann kam die politische Wende. Unser Jugendclubhaus stand zum Verkauf und unsere Arbeitsplätze auf dem Spiel. Es hieß vom neuen Betriebsleiter: Das Jugendclubhaus, welches inzwischen "Kultur-Fabrik" hieß, wird geschlossen und abgewickelt. Aber nicht mit uns. Die Tageszeitungen standen auf unserer Seite. Die Ku-Fa (Abkürzung für Kultur-Fabrik) wurde sogar zum Thema auf dem Titelblatt. Schüler aus der Umgebung schrieben Aufsätze unter der Überschrift: Rettet die Ku-Fa. Danke auch an den Bürgermeister der Stadt Waltershausen Michael B.! Die Kulturfabrik wurde gerettet, aber die Gelder wurden immer rarer, denn ringsum entstanden neue Diskotheken, Live-Musik war nicht mehr angesagt, es wurde vieles teurer, das Leben setzte neue Schwerpunkte.
In dieser Zeit war nicht mehr viel zu machen. Ich wurde arbeitslos und bewarb mich mit einer in schönster Sonntagsschrift verfassten Bewerbung beim Privat-Radio. Und nun bin ich dort als Moderator / Redakteur tätig und freue mich darüber, dass Sie bis hierhin gelesen haben.
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